Sierra Leone, 14. Mai 2017

Kopflastig

Liebe Alle,

ähnlich wie auf dem Bild abgebildet ist meine derzeitige neue Aufgabe eher kopflastig und erfordert zusätzliche, fast schon weibliche 😉 multitasking-Fähigkeit:

Nach mehr als drei Jahren Abwesenheit bin ich wieder zurück an meiner alten Wirkungsstätte, dem Serabu Community Hospital in Sierra Leone – wie ehedem abgelegen im Regenwald und 3 Stunden Schlammpiste von der nächsten Asphaltstraße entfernt. Alles war schnell wieder vertraut und „drin“: der Geschmack von Palmöl im Essen, das Rascheln der Moskitonetze in der Nacht, den staksigen Gang mit festem Schuhwerk und Tritt, den man hier nachts auf dem Gelände wegen der ungeliebten und sich manchmal am Wegrand kringelnden Mitbewohner drauf hat – usf.

Mein Aufgabengebiet ist aber diesmal neu und fordert viel weniger Arbeit der Hände als vorher, sondern mehr den Kopf (und die Nerven…): ich vertrete die urlaubende Langzeitärztin als sogenannter Medical Superintendent. Das bedeutet, dass ich u.a. lauter Liste führen darf, sowie Statistiken zu erstellen, Personalentscheidungen zu treffen, den Krankenhausablauf zu organisieren, für Nachschub und Reparaturen zu sorgen, an Dienstbesprechungen teilzunehmen, mit den deutschen Geldgebern (German Doctors in Bonn) zu kommunizieren habe etc etc.

Also genau das – Ihr habt es sicher schon erraten – was ich an der Medizinarbeit am meisten liebe…

Immerhin genieße ich aber auch gebührend die Verbesserungen, die hier in Serabu inzwischen vorhanden sind: so haben wir jetzt nicht nur fast immer elektrischen Strom dank Solaranlage, auch kommt aus den meisten Wasserhähnen Wasser und aus den Autoklaven sterilisiertes Material, vor allem aber – und für mein derzeitiges Aufgabengebiet besonders wichtig – gibt es jetzt eine ungleich viel bessere Internetverbindung als früher: eine riesige Satelitenschüssel stellt eine Verbindung (ausgerechnet nach Luxemburg !?!) her.

Eine weitere neue technische Errungenschaft ist ein digitales Röntgengerät, für das ich Ersatzteile in meinem Fluggepäck dabei hatte. Nun kann ich ja bereits, im Rahmen all der Einsätze, auf eine lange Liste an Hilfsarbeiten von A wie Anästhesie bis Z wie Zähneziehen zurückblicken, aber damit, dass nach nun erfolgter Röhrenreparatur, auch R wie Röntgen-Assistent hinzukommen würde, hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Eine Handvoll eigene Bilder habe ich inzwischen „geschossen“.

Apropos mitgebracht: leider hat nur einer von zwei Koffern den ganzen Weg bis Sierra Leone geschafft – ausgerechnet der mit meinen persönlichen Dingen hängt irgendwo im Nirvana zwischen Hannover – Paris- Freetown – Conacry… Daher gehört zu meinen multitasking-Aufgaben u.A. mehrfaches Waschen der ganzen 2 Hemden und der 1 Hose, die ich zur Verfügung habe (während Socken naheliegenderweise verzichtbar sind und mir die hiesigen Kollegen netterweise mit Unterhosenspenden ausgeholfen haben ;-)).

Chefarztvisiten, da hier unbekannt, brauche ich nicht zu machen, aber die Ambulanz hängt an meiner Backe, täglich mache ich auf wechselnden Stationen eine Visite mit und hoffe, dass Alles gut geht: derzeit haben wir keinen Anästhesisten und keinen Gynäkologen – ab übernächste Woche kommt zwar einer, dafür wird uns dann 1 Woche der Chirurg fehlen.

Hoffen wir das Beste, liebe Leser, drückt mir also mit die Daumen,
Euer R.

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Frank 16.05.2017

Lieber Rolf-Ferdinand, viele Grüße aus Hannover senden Dir Lisa und Frank! Wir haben schon einige Brillen gesammelt. Und nicht vergessen: bitte regelmäßig am Buch über Deine Einsätze schreiben!

Nils 16.06.2017

Lieber Rolf-Ferdinand,
ich sende Dir viele Grüße aus Essen.
Und danke für Deine spannenden Berichte.
Herzliche Grüße!