Sierra Leone, 21. Januar 2012

Mit zwei linken Füßen

Mit den zwei linken Füßen aus der Überschrift sind jetzt nicht die gemeint, mit denen wir Alle (zumindest aber ich) morgens manchmal aufstehen, sondern folgende Begebenheit:
Nächtliche Aufnahme auf Maternity (Gebär- und Schwangerenstation), mal wieder hat die unbeholfenste der Hebammen Dienst. „Breech presentation; doctor: you look!“. Da sich aber selbst bei mir inzwischen rumgesprochen hat, dass eine solche Steisslage hier noch lange kein Kaiserschnittgrund ist, rate ich erstmal zum Abwarten. Am frühen Morgen dann der Anruf „Foot presentation!“. Hmmh, habe ich auch noch nie gehabt. Als ich hinkomme, guckt tatsächlich schon ein Fuß unten raus. „Must get other foot, doctor!“ heißt es dann. Da ich einsehe, dass eine Steißgeburt im Spagat -ein Bein oben, das andere unten – schwierig ist, mache ich mich seufzend an den auch noch nie geübten Versuch, ein anderes Körperteil aus einer schwangeren Gebärmutter zu holen.

Alles gut überstanden: unsere "Überraschungszwillinge"

Alles gut überstanden: unsere „Überraschungszwillinge“

Ich zwänge meine Hand in die ächzende Patientin und kann irgendwann tatsächlich mit der Fingerspitze einen anderen kleinen Fuß tasten; im zweiten Anlauf bekomme ich die Fingerspitze dann auch am Fuß vorbei und kann ihn irgendwie herunterhakeln. Zufrieden seufzend betrachtet der Aushilfsgeburtshelfer sein Werk, denn es erschien ihm wohlgetan. Bis – ja, bis ihm plötzlich auffällt, dass es sich um zwei linke Füße handelt!!!

Mal wieder musste das Op-Team zur Sectio zusammengetrommelt werden.

Apropos Sectio: inklusive dieser Zwillinge habe ich inzwischen das Dutzend voll, auch ein paar Blinddärme, mehrere normale und drei strangulierte Leistenbrüche etc. liegen hinter mir – fast bildet man sich schon ein wenig Routine ein. Nach zwei perforierten Magengeschwüren war aber die spektakulärste Operation eigentlich gestern: typhusbedingte Darmwanddurchbrüche bei einem 12jährigen Knaben (so was haben, glaube ich, die meisten Chirurgen in Deutschland auch noch nicht operiert).

Aber mit dem Stichwort Typhus komme ich zum letztes Mal schon angedeuteten Thema Innere und tropische Erkrankungen: die Malaria ist hier manchmal grausam und kostet immer wieder Leben. Darüber hinaus lagen bzw. liegen als speziell afrikanische Besonderheiten Fälle mit Bilharziose, Typhus, Denguefieber, Gelbsucht, Amöbenleberabszess, Spul- und Hakenwurmerkrankungen, Salmonellen-Durchfällen und cerebraler Toxoplasmose (für Nichtmedizer.: eine Hirninfektion bei Aids-Erkrankten) auf den Stationen.

Nächste Woche kommt eine Internistin hier an, dann wird es etwas weniger anstrengend für mich (die letzten vier Nächte waren alle kurz). Derzeit ist aber auch das Wetter weniger schwül und warm – auch das erleichtert die Arbeit sehr.
Seit ein paar Tagen schwelgen wir in frischem Ananas – ich habe auch nach vier ganzen Ananas in drei Tagen für mich allein immer noch nicht genug davon!
Ansonsten gibts viel Obst – u.a. grüne(!) Orangen, die aber dennoch süß schmecken, und kleine, aber sehr leckere Bananen. Gestern bekam ich, zur Bereicherung des Speiseplans, ein Huhn geschenkt – lebend.
Nicht mehr leben tut eine grüne Viper, die der Kinderärztin über den Weg lief: auf ihr Quieken hin wurde das Viech von ein paar halbwüchsigen Jungs totgeschlagen. Da laut Recherche nur jeder zweite Biss dieser Schlangensorte tödlich sein soll, machen wir uns keine übertriebenen Sorgen, ziehen aber immerhin nachts jetzt festes Schuhwerk an 🙂

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