Sierra Leone, 31. August 2012

Cola und Cholera

Party mit Cola

Party mit Cola

Gestern Abend haben wir den bisherigen Medical Superintendent unseres Krankenhauses (jenen alten afrikanischen Doktor mit der seltsamen, teilweise sogar russischen Lebensgeschichte, von dem ich in meinem letzten Einsatz mal berichtete) verabschiedet: die Veranstaltung war so afrikanisch, dass ich Euch kurz davon berichten möchte. Als wir drei German doctors zu der Feier mit schlechtem Gewissen zwanzig Minuten zu spät eintrafen, waren wir die Ersten (!); zwei volle Stunden später war wenigstens die Hauptperson da, aber beileibe noch nicht alle Gäste. Der Getränkelieferwagen hatte einen Platten und der Reservereifen war natürlich nicht aufgepumpt, so dass die Drinks erst noch eine weitere Stunde später eintrafen. Dass war insofern ungünstig, als es irgendwann immerhin schon was zu Essen gab, welches aber so scharf war, dass ich mich fast genötigt sah, unserer norwegischen Laborpraktikantin die Augen manuell zu reponieren. Ich habe dann wohlweislich auf eine eigene Kostprobe verzichtet.
Sodann begann das unvermeidliche Rederitual: dazu wird ein Ehrentisch militärisch exakt genau gegenüber dem Auditorium aufgestellt, Honoratioren und Redner müssen dort Platz nehmen und kriegen Softdrinks und Papierserviettchen hingestellt und ein Kameramann geht in Positur – ähnlich wohl wie weiland bei Honnecker. Es werden Gebete gesprochen und wünsche aufs Vaterland ausgesprochen, dann unendlich lang irgendwelchen abwesenden Würdenträgern gedankt, ehe es überhaupt an die Reden geht.
Während das Auditorium schon längst beim Bier angelangt war, musste ich am heute ja muslimischen Ehrentisch mich an Cola halten: bei der verflixten Schwüle und Wärme habe ich davon solche Mengen getrunken, dass ich nachher profunde Einschlafstörungen hatte.
Mit meinem Redeteil habe ich dann die unendliche Förmlichkeit und Steife des Aktes natürlich etwas aufzulockern versucht – auch wenn das heimatliche Allheilmittel eingestreuter Wilhelm-Busch-Zitate hier nicht anwendbar war.
Und endlich war alles Palaver überstanden und es ging nahtlos zum wilden Tanzteil über : Ihr hättet da beispielsweise mal unsere älteren Nurses, die sich teilweise sonst nur humpelnd bewegen, sehen sollen, wie sie sich völlig ungeniert und leidenschaftlich abzappelten – es war kein Halten mehr und das Zuschauen wirklich köstlich. Am frühen Morgen endete die Fete auf ebenfalls irgendwie afrikanische Weise, weil einerseits die Dorfgören die letzten Bier- und Softdrinkreste aus dem Kühlschrank gemopst hatten und zweitens ein weiterer Wolkenbruch die Lautsprecherelektrik lahmlegte.

Aber wir feten hier ja nicht nur.

Um ein wenig so manche Alltagsschwierigkeit zu verdeutlichen, sei hier nur erwähnt, dass ich bei meinem vorgestrigen Schwesternschülerinnenunterricht feststellen durfte, dass keineswegs allen meiner Zuhörenden klar war, dass vielleicht zwischen dem Puls und der Herzaktivität ein Zusammenhang bestehen könnte.
Ein paar frisch in Hamburg beim Tropenmedizinkurs erworbene Kenntnisse konnte ich hier schon anwenden – wenn auch immer wieder frustriert von der geringen Leistungsfähigkeit unseres Labors. Jüngstes Highlight ist seit gestern, dass uns ein wohl ein erster Ausläufer der landesweiten Cholera-Epidemie erreicht hat.
Ausgegangen ist sie wohl von den Slums der Hauptstadt und hat sich zunächst nach Norden und Westen ausgebreitet, während hier bei uns im Süden laut Berichten nur eine geringe Aktivität herrschte. Bei der gestern eingetroffenen Patientin besteht aufgrund der Symptomatik wenig Zweifel an der Diagnose. Aber es geht ihr heute schon besser, damit ist sie nur ein leichterer Fall. Personen- und Toilettenisolierung sind durchgesetzt und ich warte gnadenlos Negativkontrollen ab, ehe die Patientin entlassen werden kann, ohne dass die Bevölkerung gefährdet wird.

Besonders Ihr Nichtmediziner möget es nicht falsch verstehen: ich find´s total spannend!

Ihr könnt aber mit die Daumen drücken, dass nicht mehr all zu viel nachkommt,

Weiterempfehlen