Liberia, 30. Januar 2015

In A Yellow Submarine

Guess

Guess who?

Liebe Alle,

mein schauspielerisches Talent hat sich schon immer in gewissen Grenzen gehalten – aber derzeit habe ich dennoch ein Dauerabonnement als Marsmenschendarsteller. Die schicken Ebola-Schutzanzüge habt Ihr gewiss alle schon mal auf Abbildungen gesehen?!?

Zwar bin ich erst seit einigen Tagen hier in Monrovia/Liberia, aber ich kann Euch jetzt schon versichern, dass das Tragen dieser PPE (Personal protective equipment) genannten Schutzanzüge eine Art sportliche Herausforderung ist: nach einer Stunde ist, besonders um die Mittagszeit, sollte man besser wieder raus aus dieser knallgelben Ganzkörpergummihülle (die, ergänzt durch Gummistiefel, zwei Gesichtsmasken, drei! Lagen Handschuhe, Gummischürze, großer Kopfhaube, Skifahrerbrille und ggf zusätzliche Klebebandstreifen nicht einen einzigen Quadratmillimeter atmungsfähige Haut übrig lässt). Das Rauskommen ähnelt dann mit seinem Schnaufen und Prusten dem Auftauchen eines U-Bootes: nur dass dies innen trocken und von außen nass ist, was wiederum bei der PPE genau umgekehrt ist. Und ein Liter Flüssigkeitsersatz sowie das vollständige Wechseln der kompletten Unterbekleidung sind dann angesagt.

Der Rückgang der Ebola-Fallzahlen ist natürlich eine gute Nachricht. Vorbei ist die Epidemie jedoch noch nicht, auch ein Wiederaufflammen ist nicht ausschließbar. Daher ist unser Job (im politisch motivierten Joint Venture von Deutschem Roten Kreuz und Bundeswehr) einerseits noch immer das Heraussuchen, Testen und Behandeln der verbleibenden Ebola-Fälle, andererseits bei striktester Isolation und Abgrenzung zu Ebola-positiv getesteten Patienten eine Behandlungsstätte für die schweren, aber eigentlich. behandelbaren Infektionserkrankungen zu schaffen, die bisher von den überlasteten oder zusammengebrochenen Krankenhäusern abgewiesen wurden oder für die Fälle, die sich all die Zeit gar nicht mehr ins Krankenhaus trauten vor Angst, sich dort erst recht mit Ebola zu infizieren. Und man muss zugeben, dass diese Angst ja nicht ohne Grundlage war. Dass die Zahl der durch diesen Umstand bedingten Todesfälle an unbehandelter Malaria, TB, HIV, geburtshilflichen Komplikationen nach sachverständigen Schätzungen die Zahl der Ebola-Toten noch um ein Vielfaches übersteigt, ist in Europa viel zu wenig bekannt.

Der Alltag hier in Monrovia ist noch unalltäglich: ab Mitternacht besteht noch immer Ausgangssperre, Schulen und Universitäten und große Märkte sind noch immer geschlossen; wir dürfen den Compound nur mindestens zu zweit und nur mit Funkgerät oder Handy verlassen. Zudem besteht eine No-touch-Policy: nicht nur die Patienten, sondern auch wir ausländischen Helfer dürfen einander auf keinerlei Weise berühren, sollen stattdessen mindestens einen, besser zwei Meter Abstand halten. An jeder Tür oder Pforte bekommt man Fieber gemessen und allenthalben stolpert man über Behälter mit Chlorlösung, an denen man sich die Händewaschen muss; im Treatment Center muss man sogar zusätzlich andauernd durch Chlorfußbäder waten.

Die Bevölkerung scheint aber – soweit ich das erkennen kann – den ganzen Aufwand inzwischen gelassen hinzunehmen und fremdelt nicht mehr angesichts der o.g. Marsmenschenschauspiele sowie der in den Straßen kursierenden Fremdfahrzeugflotte von WHO, Ärzte ohne Grenzen, UN-Soldaten, US-Army (allein 4000 Mann!) und den Fahrzeugen verschiedener nationaler Ebolazentren wie bspw. den in kuscheliger Nachbarschaft lebenden Chinesen (die das Fußballstadion direkt nebenan von uns beschlagnahmt haben). Es nötigt einem in der Tat Achtung ab, wie sehr die Liberianer inzwischen die notwendig gewordenen Änderungen ihres Alltagsverhaltens akzeptiert haben: aber eben auch nur dadurch konnte die Wende in dieser Epidemie herbeigeführt werden.

So long fürs Erste,
Euer
R.

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meike 30.01.2015

Hi rolf, falls du es bist auf dem photo, dann bist du wirklich ein hübsches u-boot.Pass bloß gut auf dich auf und wate weiterhin tapfer durch die chlorbäder wenns denn hilft.ich wünsche mir sehr das du gesund zurück kommst.so wirklich etwas von der Gegend wo du jetzt arbeitest bekommst du wohl nicht zu sehen? Ich freue mich auf deinen nächsten blog.ganz liebe grüße meike