Ghana, 3. Dezember 2013

„Bella Blog“ und Symptome von abdominal pain bis weakness

Liebe Einsatznachrichtenfans, mit „Bella Blog“ ist nicht die ähnlich lautende Fernsehserie gemeint (denn noch wird diese nicht im ghanaischen Fernsehen gesendet), sondern was viel Besseres – auch wenn es zugegebenerweise eher in die Werbepause des Programms passen würde: ist es doch unverschämte Eigenreklame, mit der ich hier+heute hausieren gehe! Um in der Diktion des St.-Martin-Hospitals hier in Eikwe zu bleiben: Jauchzet, frohlocket! Denn sehet: das Internet hat Euch Erkenntnisse beschert! Dem konstanten Nachbohren interessierter Kreise nachgebend, findet sich also nun ein Speicher aller bisher versandten Rundmails etc. und berichte.
Freundin Annette Hartmann www.vor-druck.de sei hiermit gedankt: sie hat das wieder so professionell hochglanzmäßig in Szene gesetzt, dass garantiert keine Persil-Reklame jemals weißer waschend in Erinnerung bleiben wird als diese selbstredend höchstliterarische Nachrichtensammlung!

Kleiner Ausschnitt eines ganz normalen Ambulanztages

Kleiner Ausschnitt eines ganz normalen Ambulanztages

Und hier der erste richtige Blogartikel aus Eikwe:
Amöben, Salmonellen, Hirnhautentzündungen, bis ins Becken reichende Milzen und Lebern sowie ein Polio-Fall(!) bilden die Obertöne im Hintergrundrauschen des stationären Krankheitsgeschehens aus Tuberkulosen, Durchfällen, Lungenentzündungen, Hirnhautentzündungen, Malaria, Schwangerschaftsblutungen, Knochenbrüchen, Leistenbrüchen etc.
(Von der Geburtshilfe kriege ich diesmal wenig mit, da sie nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt: aber von den sagenhaften 3000 bis 3500 Geburten im Jahr könnte sich manches deutsche Kreiskrankenhaus mehrere Scheiben abschneiden).

Anstrengender als die Stationsarbeit sind die Ambulanztage (das beigefügte Bild zeigt keinen Bahnsteig, sondern nur einen ganz kleinen Teil des Alltagsansturms):
Klar gibt es hier die Fälle, wie man sie „den-Kopf-unter-dem-Arm-tragend“ in Afrika erwarten kann. Diese, da mit offensichtlichen Symptomen kommend, sind aber keineswegs das Kraftzehrende – sondern das sind auch hier die anscheinend weltweit endemischen Fälle an „Und-da-Syndrom“, All-Body-Pain und anderen ellenlangen Symptomaufzählungen.

Beliebte Kombinationen zum Austesten der ärztlichen Belastungsgrenze sind bspw.: chest pain+leg pain+palpitations+abdominal pain+ weakness+headache+dizziness+backpain. Ach ja: loss of appetite auch noch dazu. Aber auch kürzere Beschwerdekombinationen sind nicht immer aufschlussreicher – beispielsweise heute der junge Mann, dessen Halsbeschwerden ganz direkt in seinen Penis ausstrahlen würden (Wer eine Differentialdiagnose weiß, möge sie mir umgehend mailen).

Eine ghanaische Besonderheit ist aber die Angabe von Numbness of legs and hands (Taubheitsgefühl in Händen und Füßen): mindestens jeder Vierte klagt hier, meist neben einer bunten Auswahl weiterer Beschwerden, darüber und ich habe inzwischen völlig aufgegeben, noch nach einer Ursache zu suchen.

Aus den umliegenden Dörfern, aber auch aus den Flüchtlingscamps mit Bewohnern aus Elfenbeinküste, Togo und Burkina Faso, kommen öfters muslimische Patienten in unser katholisches Krankenhaus. Da wird man dann manchmal nicht nur mit seinen fehlenden Französischkenntnissen, sondern auch mit sehr großen begleitenden Familien konfrontiert – Anlass genug, um ein paar Worte zu Familie und Gesellschaft zu verlieren: Die ghanaischen Frauen, jeglicher Religion, sind durchaus selbstbewusst und merklich emanzipierter als die kenyanischen und sierra-leonischen. Und meine Geschlechtsgenossen sind hier wie dort keineswegs ausnahmslos die Stützen der Gesellschaft. Aber alleinstehend darf eine Frau hier nicht sein – sie muss verheiratet sein und Kinder produzieren. Beim Heiraten aber wird – außerhalb der dünnen Mittel- und Oberschicht – so was wie Zuneigung oder Gefallen als überflüssiger Schnickschnack angesehen. Beim Eheschluss handelt es sich ganz vorwiegend um eine reine Geschäftsbeziehung – eine, die gegenseitige Versorgung, Nachkommensproduktion und Sicherheit im Alter oder bei Krankheit einbringen soll.
Und da Männer bekanntlich großen Wert auf Sicherheit legen 😉 , kommt verständlicherweise nun mal nicht jeder mit nur einer Ehefrau aus.
Bis zu vier sind (in der Praxis wenigstens den muslimischen) ghanaischen Bürgern gestattet. Und wer es sich leisten kann, schöpft diesen Rahmen – aus reinem Sicherheitsbedürfnis natürlich nur! – auch gern aus.

Man informierte mich übrigens, dass ich nur ein paar Monate länger im Lande bleiben müsste, um die hiesige Staatsbürgerschaft beantragen zu können … Aber Papierkrieg scheue ich eh und widme mich lieber der Vorfreude auf die kommende Adventszeit und andere heimatliche Freuden: somit lass ich das ja nun in Bälde anstehende Rückflugticket doch nicht verfallen.

Apropos Adventszeit: am Sonntag war ich, sozusagen, kurz in Deutschland: an der Küste habe ich die einzige existierende deutsche Sklavenburg besucht, nämlich das von den Brandenburgern 1683 gegründete und noch heute so heißende Groß-Friedrichsburg. Malerisch, aber völlig unwirklich in dieser Umgebung.

Nun kommt noch eine Reihe an arbeitsreichen Tagen auf mich zu, aber ich wünsche Euch Allen schon eine schöne Vorweihnachtszeit!

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